Warum Abstinenz nicht das Ziel der Nördlinger Suchtberatung ist
von Gitte Händel Rieser Nachrichten 10.03.2025
Alkohol hat bei Frauen eine andere Wirkung, sorgt etwa für ein höheres Brustkrebsrisiko. Auch Trinken sie eher heimlich, sagt eine Mitarbeiterin der Suchtfachambulanz.
Alkohol zu trinken, ist nicht gesund. Wer weitergehende Informationen sucht, findet sie beispielsweise beim Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit (BIÖG). Auch die Geschichte, ein Glas Rotwein am Abend würde die Gesundheit fördern, sei eine Mär, darauf weisen Dr. Natalie Nagowski und Alisa Engelmann von der Suchtfachambulanz in Nördlingen hin. Obwohl also die schädliche Wirkung alle trifft, hat der Umgang von Frauen mit Alkohol seine Besonderheiten. Deswegen ist es auch ein „Herzensthema“ für die Beraterinnen.
Frauen vertragen wegen ihrer körperlichen Konstitution weniger Alkohol als Männer. Das BIÖG nennt eine Reihe von Gründen: Bei Frauen ist der Anteil an Körperflüssigkeit geringer, auf den sich der Alkohol verteilen kann. Also wirke dieselbe Menge stärker. Sie werde auch langsamer abgebaut, weil ein Leberenzym bei Frauen in geringerer Menge vorliegt. Weniger bekannt ist, dass das Risiko steigt, an Brustkrebs zu erkranken. Alkohol fördere die Produktion von Östrogen, das erhöhe das Brustkrebsrisiko. Nathalie Stüben und Prof. Kiefer führen in ihrem Buch „Frauen und Alkohol“ dazu auch Studienergebnisse an: Bei 25 Gramm Alkohol täglich erhöhe sich das Brustkrebsrisiko beispielsweise um 25 Prozent, bei 100 Gramm um 241 Prozent. Jene 25 Prozent sind „ein Viertele Wein“, oder ein bisschen mehr als eine halbe Maß Bier, 100 Gramm Alkohol 0,9 Liter Wein und 2,5 Liter Bier.
Frauen zeigen außerdem ein anderes Trinkverhalten als Männer, sie trinken vor allem heimlich, so Engelmann von der Suchtfachambulanz. Alkoholisiert in der Öffentlichkeit sehe man Frauen nur selten. Damit fällt riskanter Konsum nicht so schnell auf, vor allem dann nicht, wenn Frauen alleine leben. Frauen suchten zudem deutlich weniger nach Beratung. 80 Prozent der Klienten der Suchtfachambulanz seien Männer, sagt Dr. Natalie Nagowski, die das Team in Nördlingen leitet.
Nicht zuletzt reagieren Frauen auf übermäßigen Alkoholgenuss anders als Männer: Sie schämen sich. Denn eigentlich habe man als Frau doch zu funktionieren, sei die allgemeine Meinung, so die Suchtberaterinnen. Verhindert diese Scham möglicherweise, dass eine Frau sich Hilfe sucht und zur Beratungsstelle kommt? Jeder würde doch sofort sehen, dass man ein Alkoholproblem hat, wenn man im Wartezimmer sitzt. Hier beruhigen Nagowski und Engelmann: Zum einen teilen sich mehrere Beratungsstellen der Diakonie ein Wartezimmer. Niemand wisse also, warum der andere da ist.
Außerdem seien die Wartezeiten bei einem vereinbarten Termin sehr kurz. Und auch bei der offenen Sprechstunde gebe es keine Warteschlange. Zudem erfahre niemand von einem Besuch in der Beratungsstelle: Für die Mitarbeiterinnen gilt eine Schweigepflicht und die beginnt bereits bei der Terminvereinbarung. Nagowski weist außerdem darauf hin, dass man zur Beratung keine Überweisung eines Arztes und auch keine Krankenkasse brauche: Die Beratung ist kostenfrei. Selbst wenn man im Laufe der Beratung zum Ergebnis kommt, eine ambulante Therapie wäre sinnvoll, werde es keinen Eintrag in der Krankenakte geben: Die ambulante Therapie werde über die Rentenversicherung abgerechnet, so Nagowksi.
Wer Angst vor dem moralischen Druck hat, man müsse mit dem Trinken aufhören, wenn man zur Beratung kommt: Abstinenz ist nicht das Ziel. „Das hat mich am meisten überrascht“, so Chiara Ermacora, die gerade ihr Pflichtpraktikum für das Studium „Soziale Arbeit“ in der Suchtfachambulanz absolviert. Ziel sei die Reflexion des eigenen Verhaltens und manchmal auch einfach eine Schadensminderung.
„Wir stellen also keine Bedingungen“, so Alisa Engelmann und Natalie Nagowski. Fünf Suchtberaterinnen und eine Verwaltungsangestellte kümmern sich in Nördlingen um Hilfesuchende. „Wichtig ist, dass Betroffene oder ihre Angehörigen den Weg zu uns finden.“ Dieser Aufruf gelte vor allem den Frauen. Wie ihr Alkoholkonsum sei, sei unerheblich. Der erste Schritt ist es, sich damit auseinanderzusetzen. Und das Ziel ist offen.
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